Der Raum, die Gegenstände, der Mensch und die Stille Bemerkungen zu den Kaffeehausbildern
Als Maler hat sich Franz Yang-Močnik immer stärker dem Realismus verschrieben, dem Interieur mit seinem Mobiliar und dem schräg einfallenden Licht, den satten Farben und den Schattenzonen. Seit 1986 hat er immer wieder das Cafe als Bildmotiv genommen. Es ist eine eigene, abgeschiedene Welt für ihn, diese meist düsteren Ausschnitte aus Kaffeehausräumen mit ihren Marmortischen und Holzstühlen, die nur zum Teil im Licht aufleuchten und die die Erwartung ausdrücken, daß diese Räume von Menschen besetzt werden, oder in denen wir einzelnen Besuchern meist in Rückenansicht begegnen. Das verhaltene und transparente Blau läßt einen Undefinierten Raum entstehen, in dem der Stuhl, der Tisch und die Rückenansicht des Mädchens sich zu einer realistischen Wiedergabe konkretisieren. Die Stille, die Bewegungslosigkeit verbinden sich der Konzentration auf die Zeitschrift, und rings umher verliert sich die Gegenständlichkeit im Dunst der rauchgeschwängerten Luft, die andere Besucher zu Schattenerscheinungen im Hintergrund werden läßt.
Immer wieder löst Motschnig den Realismus seiner Bildwelt mit etwas »Impressionistischem« auf. Das einfallende Licht fängt sich in den Rauchschwaden, nimmt den Gegenständen ihren Körper, hebt die Raumgrenzen auf. Mit kahlem Kopf oder mit Hauben sitzen junge Frauen in diesen Räumen, uns abgewandt und in irgendein Tun versunken, oder sie blicken ernst und großäugig abschätzend, ja fast abwehrend auf uns. In den Abstufungen des Grau leuchten nur das helle Inkarnat und die aufgetragene Schminke heraus.
Mit breitem Pinselstrich setzt Motschnig seine Farben ins Bild, die warmbraune Wand, das in der Vertikalität des Pinselstriches betonte Fenster, die schwingenden und gerundeten Formen der Kaffeehausstühle mit ihren Glanzlichtern. Das Licht bricht sich auf den Stühlen und läßt diese zu Trägern der Bewegung werden, während das von der Zeitungslektüre aufblickende Mädchen als Ruhepol dagegengesetzt ist, gleichsam aus der Stille heraus auf uns blickt.
Braun, Grau und Schwarz haben großes Gewicht in seinen Bildern, in denen er ein milchiges Licht realisiert, das die Gegenstände aufleuchten läßt, die Gläser, die Tassen, die Zeitungen in ihren Haltern.
Manchmal werden die dargestellten Personen in ihren Physiognomien erst durch das reflektierte Licht erhellt. Sie sind wie eingebettet in den Raum mit seinen Gegenständen, mit denen sie sich gleichsam verbinden, weil sie ihre ganze Aufmerksamkeit nicht uns, sondern einem der Gegenstände zuwenden. Diese Stille im räumlichen Kontext konzentriert sich eben in der Gegenständlichkeit, in den Bier- und Weingläsern auf dem Marmortisch, in den Stühlen, ja in der Hand, die das Glas hält, während der Umraum und die Figur mit breitem Pinselstrich hingesetzt werden, an Bedeutung verlieren, sich der Fläche und nicht der Körperlichkeit verbinden.
Wie mit rasch zupackenden Pinselstrichen wendet er sich auch den Idolen der Kaffeehausszenen zu, nicht nur jenen herben Mädchentypen, sondern gleich dem Cafetier Hawelka, der gerade geschäftig etwas einpackt, oder Motschnig belauscht H. C. Artmann bei seiner intensiven, versunkenen Zeitungslektüre -ohne das Mädchen mit dem zusammengefaßten Haar zu übersehen.
Hell fällt das elektrische Licht auf die Marmorplatten der leeren Tische, auf Wand und Türe, und der Ausblick aus dem Fenster zeigt das nächtliche Schwarz. Stumm, in sich versunken, von der Müdigkeit ergriffen ist das junge Paar im Bildhintergrund, das die Leere, die Stille und das Ausgesonderte dieser Szene wirkungsvoll unterstreicht.
Motschnigs Kaffeehausbilder sind nicht von Leben erfüllt, weder Geschäftigkeit noch Kommunikation beleben sie, kein Lärm dringt in sie. Für ihn sind sie die Orte der Stille, eine Art von Kontemplation, eine Flucht aus der Wirklichkeit zu sich selbst. In dieser Selbstberuhigung fällt auch sein Blick nach außen, in den Park mit den gereihten Stämmen einer Allee. Die Nässe des Regens führt er zu einem fast geriffelten Pinselstrich, der das unterschiedlich auffallende Licht unterstreicht, und in dieser rinnenden Bodenfläche liegt die Bewegtheit des Bildes, das sonst ganz still und menschenleer uns als Ausblick gegenübersteht.
Im Aufblick sieht Motschnig die gereihten Tische und Stühle des Cafes, wirkungsvoll setzt er das Rund der Arm- und Rückenlehnen mit ihren Verstrebungen den runden Marmorplatten der Tische entgegen und inszeniert diese Bilder farbig vom Schwarz zum sich schrittweise aufhellenden Braun bis hin zum vergrauten Ocker der Tischplatten, die das graue Licht, das durch die Fenster eindringt, aufnehmen.
Nur selten steigert Motschnig die Farbe zu einer orangen Helligkeit, die er der Strebearchitektur der Kaffeehausstühle wirkungsvoll entgegensetzt.
Für Motschnig ist das Cafe der Raum der Betrachtung, des Alleinseins in einer aus dem Lebensstrom herausgenommenen Geborgenheit. Das Cafe ist für ihn ein Öffentlicher Raum, der der Lektüre der Journale gewidmet ist, in die sich seine Gestalten vertiefen. Aber immer bleiben die Menschen isoliert, in sich versunken, ohne Handlung, und nur selten fällt abwehrend der Blick des Beobachteten aus dem Bild auf uns heraus. In der Stille der ganz anderen Seinsebene erwachen die Gegenstände zum Leben, sie schaffen sich Körperhaftigkeit, Raum und Umraum, sie sind in dieser Stille das eigentliche Motiv, und in ihre Wirklichkeit versinken gleichsam die in ihnen dargestellten Personen.